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Ich habe kein Vertrauen mehr zu dem, was ich sehe, seien es Gegenstände oder Situationen. Ich muss mich einfach fragen, ob das, was ich sehe, real ist: Wer ist wer und was ist was? Das ist nicht die Revision der Geschichte, es ist die Revision der Gegenwart. Meine Kunst ist Ausdruck meiner Beschei- denheit. Ich habe zunächst Physik studiert und fasse die Wirklichkeit bis heute in mathematischen oder philosophischen Begriffen. Chaos umgibt uns, und Verwirrung ist absehbar. Das sichtbare Spektrum unseres Lebens ist ein winziger Bruchteil des gesamten Spektrums der Wirklichkeit. Wir sehen einen Raum, der sich verzerren lässt, Partikel, die sich an zwei Orten gleichzeitig befinden, und fließende Wahrscheinlichkeiten. Wer der Realität wirklich nahe kommen will, muss seine Vorurteile und falschen Verankerungen aufgeben. Mich reizen weder das Abstrakte noch das Figurative, sondern die Über- gänge und Verwirrungen dazwischen. Ich finde Trost in einer figurativen Form und sehe mich dann gezwungen, sie zu verformen und in die Abstrak- tion zu treiben. Das Resultat ist eine Veränderung der Farbmuster und eine andere Art, das Licht zu reflektieren. Ich gebe die Zweidimensionalität auf und positioniere mich bewusst zwischen Malerei und Skulptur. Möglicher- weise sehen Sie in meinem Werk etwas flüchtig Vertrautes und Angeneh- mes. Dann hoffe ich, dass ich es Ihnen wieder wegnehmen kann. Alles ist temporal, undefiniert, chaotisch und unbehaglich. Ich möchte, dass Sie sich im frustrierenden Unbehagen entspannen und sich auf den Turbulenzen des Ungewissen treiben lassen. Das französische „par l’eau“ bedeutet „durch Wasser“. Parleau ist eine Kombination aus Malerei und Skulptur – auf Metallblech aufgetragene Bilder, die mit der Hand zu unterschiedlich intensiven räumlich reflektie- renden Abstraktionen geformt werden. Dieser kreative und zugleich de- struktive Prozess verleiht der Oberfläche den Charakter zufälliger Bewe- gung. Die verblüffende Lebendigkeit entsteht durch das überraschende, zufallsbedingte Spiel des Lichts. Die zweidimensionale Komposition wird zusammengedrückt, positioniert und bearbeitet, als sei sie in die Brandung geraten, und evoziert so die dritte und weitere Dimensionen – besser, als es die ursprüngliche Figuration je könnte. Parleau entwickelte sich als Simulation des Blicks durch eine gekräuselte Wasseroberfläche. Das Spiel des Lichts, die Intensität der Farben, die spie- gelnden Eigenschaften der Objekte unter der Oberfläche, all das zieht mich unwiderstehlich an. Vielleicht gibt es dafür eine fundamentale evolutionäre Basis. Der Ursprung des Lebens liegt im Wasser, es gibt die Tränen des Gefühls und den glänzenden Schweiß der Anstrengung, die uns alle philo- sophisch, emotional und biologisch verbinden. Im Parleau verbindet sich jedes Bild, sei es realistisch, figurativ oder abstrakt, zu einer Gruppe poetischer Aussagen über das Leben und zu der Lebendigkeit, die man spürt, wenn man etwas Belebtes im Gegensatz zum Unbelebten sieht. Ich finde die flache Ruhe unbewegter Bilder frustrierend. Es fehlt ihnen an biologischem Atem und dem Leuchten der Energie. Parleau verweigert die Distanzierung von der feuchten Realität des Lebens, aber es transformiert die Bilder durch eine Vielzahl von Ober- flächen, die in reflektierenden Teichen unermessliche Tiefen bergen. Es ist der dimensionale Charme des Impasto auf der Suche nach der Textur der dritten Dimension, der zu seinem logischen optischen Schluss geführt wird. Im Parleau wird jedes Bild, ob Pop, malerische Szenerien oder abstrakte Formen, philosophisch und dynamisch. Alle werden sie in die Chimäre unse- rer ursprünglichen Sprache übersetzt – die Sprache des Uterus, des Meeres und damit des Gefühls des Lebens, das den trüben Blick des Künstlichen von der intelligenten, emotionalen Aura des Lebendigen unterscheidet wie das Funkeln in einem sehenden Auge. Die Dreidimensionalität ergibt sich ohne vorangehende Analyse und Planung und ist in allen Formen meiner Kunst zu finden. Sie ist Ergebnis meiner lang- jährigen Tätigkeit als Naturwissenschaftler und vor allem als Physiker, in deren Verlauf ich mir eine Karriere mit der Entwicklung dreidimensionaler Messinstrumente aufgebaut habe. Damit verbunden ist die Faszination, die das philosophische Problem der Mikro- und Makroebenen darstellt: die wiederholbaren quantisierten Bausteine des Lebens auf der Mikroebene, aus denen die komplexe Diversität der Makroebene entsteht. Beim Parleau geht es ums Begreifen. Ich begreife, dass ich weniger kon- trolliere, wenn ich mich um Kontrolle bemühe. Ich begreife, dass die Farbe immer dann über die Linie hinaus fließt, wenn ich versuche, innerhalb der Linien zu kolorieren. Ich begreife, dass der erste Schritt zum Verständnis das Eingeständnis ist, nicht zu verstehen. In der Physik verkörpert die Unschärferelation diesen Widerstand gegen Perfektion. Die Kunst ist zunächst formalisiert, begrenzt und flächig – und dann ergreift sie rasch die Flucht, wechselt ihre Form und sucht nach anderen Dimensionen. Wo und was wir sind, beruht nur auf Wahrscheinlichkeit; im leeren Raum gibt es Energie, und der Raum lässt sich durch die Präsenz der Materie verformen, die immer in Bewegung ist. Licht, die grundlegendste existenzielle Einheit, wird als Bündel, als Wellen und als im elektrischen Feld kreisende Vektoren dargestellt, die sich ihren Weg durch den Raum bahnen. Die scheinbaren Bahnen sind in Wirklichkeit probabilistische Kombinationen aller möglichen wahrscheinlichen Wege im Universum. Es gibt keine einzelnen Lichtstrahlen, nur resultierende Phasen- kombinationen der Wahrscheinlichkeit aller möglichen Wege im gesamten Universum. Wechseln Sie die Perspektive oder wechseln Sie den Standort, und die Bilder im Parleau entstehen, nehmen spontan mehr oder weniger Farbe an und wechseln je nach Kontext und Stimmung die Form. Die funkelnden, blendenden Flächen sind verstörend und ärgerlich. Das Gehirn will die Bewegung anhalten und sucht das Bild, wird aber frustriert, weil es das Bild nie vollständig erfassen kann. So wie das Leben: identifizierbar, vertraut und nie ganz begriffen. In meiner Welt spiele ich nur eine Nebenrolle. Ich strukturiere ein paar Formen und Farben, und dann übernimmt auf dem Weg des geringsten Handelns die Statistik aller möglichen Kombinationen die Kontrolle. Parleau überlässt die Kontrolle der Wahrnehmung und die Emotion der augenblick- lichen Realität den Wahrscheinlichkeiten der geformten Oberfläche und dem Spiel des Lichts.